Technikaffine Begleiter sind gefragt
Was die generative KI betrifft, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Wöchentlich, so scheint es, entdeckt man entweder selbst ein neues Feature, dessen Potenzial einen verblüfft, oder es gibt mal wieder eine weitere technologische Veröffentlichung, die die Leistungen der vorherigen Modelle noch mal übersteigt. Als OpenAI im Februar Sora vorgestellt hat, war das der Fall. Sora ist ein KI-Modell, das realistische Videoszenen in hoher Qualität nur auf Basis von wenigen Textzeilen kreieren kann.
Wer die beispielhaften Videosequenzen gesehen hat, erkennt sofort, dass KI alsbald wesentliche Aufgaben in der Filmproduktion übernehmen und die Film- und Werbeindustrie gehörig durcheinanderwirbeln wird. Klar, die KI macht Fehler. Aber das sind technische „Kinderkrankheiten“.
Viel entscheidender ist die Frage, wie wir als Gesellschaft mit den Möglichkeiten der KI umgehen und ob es nach ersten Herausforderungen eine gute Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine geben kann.
Auch gibt es noch zahlreiche ungeklärte Fragen rund um den Datenschutz und das Urheberrecht. In einem Interview im März konnte Mira Murati, Technologiechefin bei OpenAI, nicht wirklich zufriedenstellend beantworten, welche Daten für das Training von Sora verwendet werden. Und nicht zu vergessen ist die Klage der „New York Times“ gegen die Entwickler von ChatGPT wegen des Diebstahls geistigen Eigentums.
Doch wenn Technologie sich so schnell entwickelt, ist es nicht verwunderlich, dass die Klärung rechtlicher Fragen hinterherhinkt. Unternehmen müssen sich trotzdem mit der generativen KI und ihren Möglichkeiten beschäftigen. Sie wird Einfluss auf Geschäftsmodelle, Prozesse, die Zusammenarbeit und die Arbeitstätigkeiten in den Unternehmen haben. Mitarbeitende müssen an die Technologie herangeführt werden und neue Kompetenzen entwickeln.
All diejenigen, die sich in Organisationen aufgrund ihrer Profession mit der Begleitung von Veränderungen beschäftigen, sollten nun eine Menge zu tun kriegen. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Technologie in vielen Unternehmen einfach eingeführt wird, ohne dass die Change-Expertinnen wirklich mitwirken dürfen.
Daher heißt es für sie, mutig zu sein und sich „den Auftrag holen“. Es ist ein strategisch zu wichtiges Thema, dessen Erfolg davon abhängt, dass die Mitarbeitenden „die neue Welt“ akzeptieren und offen dafür sind. Diese Anforderung gilt im Übrigen ebenfalls für die Veränderungsbegleiter. Eine gewisse Technikaffinität und Neugierde für KI ist auch für sie ein „Must-have“. Das wird manchem „Changer“, der so gerne „was mit Menschen macht“, schwerfallen.
Jan C. Weilbacher, Chefredakteur