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Karl der Unsterbliche. Was haben spätere Generationen ihm nicht alles angedichtet: Der erste Europäer soll er gewesen sein, Ahnherr der Deutschen und Franzosen, Kreuzfahrer und Heiliger, Kulturrevolutionär und Dschihadist, germanischer Recke und Sachsenschlächter.

Jede Zeit hat ihren eigenen Karl erschaffen, ihm Verehrungen und Verwünschungen nachgerufen, Sehnsüchte an seinem Grab gestillt und Sinn gestiftet. Wenn man so will, hat sich für den Christenmenschen Karl der Heilsplan erfüllt: Erst nach seinem Tod begann das eigentliche Leben. Wir würden ihn heute nicht »den Großen« nennen, hätte die Nachwelt ihm nicht über Jahrhunderte hinweg diese Reverenz erwiesen. Was für ein Herrscher verbirgt sich unter all den Schichten mythischer Erinnerung? Wer war Karl der Große? Eine Frage, der sich die Autoren dieses Heftes zu nähern versuchen – so weit, wie die spärliche Überlieferung trägt. Kein Zeitgenosse hat uns den Gefallen getan, ein objektives Protokoll zu führen. Wie Karl dachte und fühlte, lässt sich ebenso wenig ergründen wie die Frage, ob er einen Rauschebart trug: Alle Bildnisse sind posthum entstanden.

Und heute? Das unvereinigte Europa könnte eine neue Meistererzählung gut gebrauchen. Aber man sollte auf der Hut sein vor Sinnstiftungspredigern, die in der Geschichte nur eines suchen: das Rüstzeug für ihren Größenwahn und Hass. Wer glaubt, die Zeiten seien vorüber, in denen der alte Kaiser das Herz der Abendlandsretter höherschlagen ließ, unterschätzt die Findigkeit rechter Identitätsfanatiker. Als Verteidiger des Christentums werden die Karolinger gerade neu entdeckt. Der Attentäter, der im März 2019 im neuseeländischen Christchurch 50 Menschen erschoss, hatte die einschlägigen Internetforen studiert: Auf einer seiner Waffen prangte der Name Karl Martells, des Großvaters Karls des Großen, der 732 in der Schlacht von Poitiers ein plünderndes arabisches Herr besiegte. Mit einem Mal ist es ungeheuer nah, das ferne Mittelalter.

Themen im Heft:

  • Wie Missionare das Christentum in Europa verbreiten
  • Das Reich der Karolinger
  • Die Erfindung der Sachsen: Über einen Stamm, der nur als Feindbild der Franken existiert
  • Wie aus Karls Feinden seine Erben werden – und das deutsche Reich entsteht
  • Aachen, das neue Rom: Eine Reise in die Hauptstadt Karls des Großen
  • Karls Gegner: Vom eigenen Bruder bis zur Kaiserin von Byzanz - die Widersacher des Frankenherrschers

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