
Die Krise als Chance
Nach der Geburt meines ersten Sohnes im Jahr 2008 habe ich sechs Monate Elternzeit genommen. Ich arbeitete damals befristet für einen Zeitungsverlag. Mein Arbeitgeber gab mir zu verstehen, dass es für mich bei der Zeitung nicht weitergehen würde, wenn ich so lange wegbleibe. Ich habe die Elternzeit natürlich trotzdem genommen, obwohl ich nicht wusste, wie meine Karriere nach der Pause aussehen wird. Beruflich betrachtet, war das durchaus eine Krise, denn ich war nach der Elternzeit kurze Zeit arbeitslos. Ich war gezwungen, über meinen weiteren Werdegang nachzudenken, zu reflektieren, was ich eigentlich machen will. Wer weiß, vielleicht wäre ich heute noch bei der Zeitung, wenn man meinen Vertrag damals verlängert hätte. Keine schöne Vorstellung.
Manchmal ist es gut, dass man durch neue Umstände zu einem Wandel gedrängt wird, denn wir Menschen sind von Natur aus eher veränderungsträge. Ich bin davon überzeugt, dass persönliche Krisen starke Change-Treiber sein können. Wenn alles super läuft im Leben, sieht man meist keinen Grund für Veränderungen. Warum auch? Krisen zwingen uns, Routinen zu hinterfragen, blinde Flecken sichtbar zu machen und Entscheidungen zu treffen, die lange überfällig waren. Das Gleiche gilt für Unternehmen. Es ist nicht allzu selten, dass man in Führungsetagen weiß, dass das Produktportfolio eigentlich keine Zukunft hat, Abläufe zu langsam, die Kosten zu hoch sind – und doch wird nichts Gravierendes verändert, weil es dem Unternehmen eigentlich ganz gut geht. Die aktuellen Zahlen stimmen noch – für Veränderungen, die das Unternehmen zukunftsfest machen würden, gibt es aber nicht genug Energie. Die Automobilhersteller sind dafür lange ein gutes Beispiel gewesen.
Dann kommt sie aber doch, die Krise – und es braucht einen Turnaround. Der geht nicht ohne Schmerzen. Man passt Strukturen und Kosten an, wenn Verluste drohen oder schon da sind, eventuell muss auch Personal abgebaut werden. Der Turnaround ist jedoch meist mehr als eine wirtschaftliche Kehrtwende. Er ist ein mentaler und kultureller Wandel. Wer ihn gestalten will, braucht Mut zur Konfrontation, Bereitschaft zur Selbstkritik und die Fähigkeit, Neues nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu gestalten. Es geht darum, Organisationen neu auszurichten – prozessual, strukturell, strategisch und kulturell. Dann hat die Krise etwas Gutes, dann ist sie der Startpunkt, um echten Change voranzutreiben.
- Ausgabe
- 07/2025
- Erscheinungstermin
- 06.10.2025
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